Gesundheitsbelastende Einflüsse auf das Leistungsvermögen im schulischen Unterricht

Förderung durch den Gemeinde-Unfallversicherungsverband (GUV) Hannover und die Unfallkasse Hessen

Sowohl die Ergebnisse des Forschungsprojektes "Belastung und Beanspruchung von Lehrerinnen und Lehrern" (Fb 989) als auch die des Projektes "Lärm in Bildungsstätten" (Fb 1030) lassen den Schluss zu, dass es im Laufe eines Schulvormittags zu deutlichen Ermüdungsprozessen bei allen Beteiligten kommt. Alltags Erfahrungen von Menschen aus der Arbeitsumgebung Schule haben in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder davon berichtet. Eine exakte Ursachenzuordnung ist aber auf dieser vorhandenen Datenbasis nicht möglich.

Untersuchungen aus der Arbeitswissenschaft zeigen immer wieder die Zusammenhänge zwischen Belastung und daraus resultierender Beanspruchung für die Menschen im Arbeitsprozess auf, ebenso die erholsame Wirkung von Pausen. Dies gilt in besonderem Maß für überwiegend physische Tätigkeiten, hier ist meist ein eindeutiges Verhältnis von verrichteter physischer Arbeit und notwendiger Erholungs-zeit herzustellen. Bei überwiegend kognitiver Tätigkeit wird dies wesentlich schwieriger, da kognitive Arbeit sich nicht eindeutig skalieren lässt. Hierbei gibt es ledig-lich die Möglichkeit über standardisierte Tätigkeiten (z.B. Aufmerksamkeits-Tests) Rückschlüsse auf Veränderungen der Leistungsbereitschaft durch voraus gegangene Tätigkeiten zu ziehen. Dies gilt natürlich sinngemäß auch für die Erholungswirkung von Pausen. Abschätzungen über die Langzeitwirkung solcher "Überbeanspruchun-gen" sind sehr viel schwerer anzustellen als dies bei rein physischer Belastung der Fall ist.

Eine besondere Situation ergibt sich in dem Arbeitsfeld der "Bildungsstätten", zumindest in dem großen Bereich der Kindertagesstätten und Schulen, durch das Al-ter der Betroffenen, d.h. der Kinder. Sowohl körperliche als auch geistige Entwicklung der Kinder erfordern ganz besondere Aufmerksamkeit, da hier zum großen Teil strukturelle Entwicklungen beeinflusst werden, am bekanntesten sind die Haltungs-schäden durch falsche Möblierung. Die Entwicklung neuronaler Strukturen entzieht sich weitgehend unserer Beobachtung, sie ist aber gerade in den ersten zwölf Lebensjahren von immenser Bedeutung, in der Literatur auch als Phase der Superplastizität neuronaler Entwicklung bezeichnet. Hier müssen andere Richt- und Grenzwerte festgelegt werden als für die Arbeitswelt des erwachsenen Menschen.

Erkenntnisse aus der Arbeitswissenschaft belegen deutliche Zusammenhänge zwischen Raumklima und Ermüdungsprozessen einerseits, andererseits aber auch die Bedeutung von Pausen für den Erhalt von Arbeitsleistung. Für die Arbeitsumgebung "Schule", hier stellvertretend für alle Formen von Bildungseinrichtungen, angefan-gen beim Kindergarten bis hin zu Räumen für die Erwachsenenbildung, gibt es eine Reihe von Untersuchungen zum Raumklima, die sich aber nur mit der zeitlichen Veränderung - hier Verschlechterung - und daraus resultierenden Lüftungsvorschlägen befassen (LUK Hamburg). Die Aussagen über Auswirkungen auf die in dieser Situation "arbeitenden" Menschen erschöpfen sich in einem hypothetisch hergestellten Zusammenhang. Die unmittelbare Messung von Ermüdungsprozessen hingegen ist gut 100 Jahre älter. So haben bereits 1886 Burgerstein und Netolitzky auf Ermüdung bei Schülern durch kognitive Tätigkeiten hingewiesen und dies auch an-hand von Messungen nachweisen können. Dies war mit ein Grund für die Einführung der 45-min Unterrichtsstunde anstelle von 60-min Stunden. Spätestens seit den Untersuchungen von Graf (1920) sind in Deutschland für die Industriearbeit die Folgen einer klugen Pausenregelung bekannt. Der Transfer dieser Erkenntnisse auf so intensive Arbeitsprozesse wie in der Schule ist nach wie vor angebracht, auch wenn es sich im Sinne des Gesetzgebers nicht um einen Arbeitsplatz, möglicherweise aber um eine Arbeitsumgebung handelt.

Das Forschungsprojekt "Belastung und Beanspruchung von Lehrerinnen und Lehrern" konnte anhand von Pulsfrequenz Aufzeichnungen bei Lehrkräften eine gewisse Erholungswirkung der so genannten "großen Pausen" nachweisen, nicht aber von den "kleinen" 5-min Pausen. Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen Geräuschpegel im Unterricht und der daraus resultierenden Beanspruchung für die Lehrkräfte deutlich, was im Projekt "Lärm in Bildungsstätten" weiter erhärtet werden konnte. Aufzeichnungen aus Doppelstunden (90 min) zeigen einen kontinuierli-chen Anstieg des Geräuschpegels im Unterricht einer 1. Klasse zwischen 10 und 15 dB, und dies für alle Unterrichtsstunden einer Woche. Unklar dabei bleibt eine Ursachenzuordnung - Unterrichtslänge, Verschlechterung des Raumklimas, fehlende Arbeitspausen. Welche Faktoren der ergonomischen Arbeitsbedingungen sind wofür verantwortlich?

Im Rahmen des Projektes "Akustische Ergonomie der Schule" (Fb 1071) konnte darüber hinaus ein Hinweis gegeben werden, welche Auswirkungen die Raumakustik auf den Unterrichtsprozess, aber auch auf die Beanspruchung der Lehrkräfte hat. Hier wird deutlich, welche Auswirkungen eine bessere Arbeitsplatz-Ergonomie auf die darin arbeitenden Menschen hat. Auch wenn hier nur die Wirkung auf die Lehr-kräfte untersucht wurde, so kann davon ausgegangen werden, dass ähnliche Auswirkungen auch bei den Schülern auftreten, beim Verhalten konnte das bereits gezeigt werden. Langfristig könnte sich hier die Frage stellen, ob durch eine solche Reduzierung von Ermüdungserscheinungen der ganze Schulbetrieb nicht nur humaner sondern auch fehlerfreier und damit auch sicherer abläuft. Fehler in einem Ar-beitsablauf treten immer dann häufiger auf, wenn Ermüdung eintritt. Bei der Messung von Aktivierung bzw. Ermüdung wird als Beurteilungsmaß u. a. die Fehleran-zahl bei einer Aufgabe benutzt.

Aus diesen Überlegungen lassen sich folgende Fragen ableiten:

    Bewirkt die Einführung kleiner Pausen (Unterrichtsunterbrechungen) eine Reduzierung von Ermüdungseffekte?
    Verhindert regelmäßiges Lüften einen Anstieg des CO2 Anteiles in Berei-che, die nachweislich Ermüdung hervorrufen?
    Hat die Reduzierung von Ermüdung erhöhte Aufmerksamkeit, verringerte motorische Unruhe, leiseres Verhalten, verbesserte kognitive Leistungsbe-reitschaft zur Folge?

Die Fragestellungen implizieren mehrere Hypothesen:

    " H1: Die Minderung des CO2 Gehalts (Verbesserung des Raumklimas) besetz-ter Klassenräume durch regelmäßiges kurzes Lüften (Stoßlüften) während der Unterrichtsstunden und in Pausen (Querlüften) führt zu Leistungssteige-rungen für alle Beteiligten.

    " H2: Die Einführung von Kurzpausen führt bei allen Beteiligten zu einer Redu-zierung der Ermüdung und einer Steigerung der Aktiviertheit.

    " H3: Die Reduzierung von Ermüdungsprozessen wirkt sich auf den Unter-richtsprozess durch gesteigerte Aufmerksamkeit, verringerte Unruhe und er-höhte Leistungsbereitschaft aus.

Alle Erhebungen setzen Messungen und Prozessbeobachtungen vor und nach einer Intervention voraus. Da es sich bei Unterricht in der Schule um einen Prozess handelt, der nicht nur die Schüler betrifft, ganz im Gegenteil durch den Lehrer gelenkt wird, wird es erforderlich, die daran Beteiligten in die Prozessbeobachtung mit einzubeziehen.

 

Ergebnisdarstellung in 6 Poster dt

Results in 6 Poster engl

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